Erdnüsse gehören zu den beliebtesten Snacks in Deutschland. Ob geröstet, gesalzen oder als Zutat in Schokolade und Müsli – die kleinen Hülsenfrüchte sind aus unserem Alltag kaum wegzudenken. Allein im Jahr 2024 importierte Deutschland rund 117.087 Tonnen geschälte oder geschrotete Erdnüsse. Doch beim Griff ins Supermarktregal ahnen die wenigsten Verbraucher, dass die Angaben zur Herkunft dieser Produkte oft mehr verschleiern als offenbaren. Während wir bei Obst und Gemüse längst gewohnt sind, das Ursprungsland auf einen Blick zu erkennen, sieht es bei verarbeiteten Erdnussprodukten völlig anders aus. Die globale Produktion konzentriert sich dabei auf wenige Hauptanbaugebiete, wobei die weltweite Erdnussproduktion 54,2 Millionen Tonnen betrug und China 18,3 Millionen Tonnen produzierte – etwa ein Drittel der gesamten Welternte.
Das Versteckspiel mit der Herkunftsangabe
Die gesetzlichen Anforderungen zur Herkunftskennzeichnung bei Lebensmitteln sind komplex und lückenhaft. Während frische Erdnüsse in der Schale eine Ursprungskennzeichnung tragen müssen, gilt dies für verarbeitete Produkte nicht zwingend. Sobald Erdnüsse geschält, geröstet oder gewürzt sind, entfällt in vielen Fällen die Pflicht, das Herkunftsland anzugeben. Diese Regelungslücke nutzen Hersteller gezielt aus, um die tatsächliche Herkunft ihrer Rohstoffe zu verschleiern.
Besonders problematisch wird es bei Mischungen aus verschiedenen Ursprungsländern. Auf der Verpackung findet sich dann häufig die nichtsagende Formulierung „Erdnüsse aus EU- und Nicht-EU-Ländern“. Diese Angabe ist rechtlich zulässig, für Verbraucher jedoch praktisch wertlos. Sie könnte bedeuten, dass die Erdnüsse aus verschiedensten Regionen stammen – von Westafrika über China bis nach Nord- und Südamerika.
Die großen Anbauregionen und ihre Bedeutung
Indien folgt China mit 10,1 Millionen Tonnen auf dem zweiten Platz der weltweiten Produzenten, während Nigeria mit 4,3 Millionen Tonnen und die USA mit 2,5 Millionen Tonnen die weiteren bedeutenden Anbauländer sind. Diese vier Länder allein machen mehr als die Hälfte der weltweiten Produktion aus. Bei den Exporten ergibt sich ein etwas anderes Bild. Im Jahr 2021 waren die USA, Myanmar, Benin, Malawi und China die Hauptexporteure von Erdnüssen mit Schale und deckten zusammen 78,1 Prozent des gesamten weltweiten Exports ab. Argentinien spielt ebenfalls eine Rolle, liegt aber deutlich hinter den führenden Exportnationen.
Warum die Herkunft bei Erdnüssen entscheidend ist
Die Frage nach der Herkunft ist keineswegs nur für regional orientierte Käufer relevant. Sie hat unmittelbare Auswirkungen auf Qualität, Sicherheit und ökologische Aspekte des Produkts. Erdnüsse aus verschiedenen Anbaugebieten unterliegen unterschiedlichen Produktionsstandards. In der Europäischen Union gelten strenge Grenzwerte für Aflatoxine – giftige Stoffwechselprodukte von Schimmelpilzen, die besonders bei unsachgemäßer Lagerung von Erdnüssen entstehen können. Diese Mykotoxine gelten als stark krebserregend und werden von der EU engmaschig kontrolliert.
In anderen Weltregionen fallen die Kontrollen deutlich lockerer aus. Studien zeigen immer wieder, dass Erdnüsse aus bestimmten Herkunftsländern häufiger Grenzwertüberschreitungen aufweisen. Für Verbraucher, die sich bewusst für qualitativ hochwertige Produkte entscheiden möchten, ist die fehlende Transparenz ein echtes Problem. Der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln variiert je nach Herkunftsland erheblich. Während in Europa viele Pestizide verboten oder streng reglementiert sind, kommen andernorts Wirkstoffe zum Einsatz, die hierzulande längst vom Markt genommen wurden. Ohne klare Herkunftsangabe bleibt Verbrauchern die Möglichkeit verwehrt, sich für Produkte aus Regionen mit strengeren Umweltauflagen zu entscheiden.
Transportwege und Klimabilanz
Die Transportwege von Erdnüssen haben erhebliche Auswirkungen auf ihre Klimabilanz. Produkte, die aus Asien oder Afrika importiert werden, legen deutlich weitere Strecken zurück als Ware aus nähergelegenen Regionen wie den USA oder Argentinien. Wer seinen ökologischen Fußabdruck reduzieren möchte, braucht jedoch transparente Informationen – die oft fehlen. Die Verschleierung beginnt bereits bei der Verpackungsgestaltung.

Trickreiche Verpackungsgestaltung
Hersteller setzen gezielt auf Gestaltungselemente, die eine regionale oder qualitativ hochwertige Herkunft suggerieren, ohne diese tatsächlich zu garantieren. Deutsche Landschaftsmotive, traditionelle Schriftarten oder Formulierungen wie „nach traditioneller Art“ erwecken Assoziationen, die mit der tatsächlichen Produktherkunft oft nichts zu tun haben. Besonders irreführend ist die Unterscheidung zwischen Produktionsort und Rohstoffherkunft. Ein Produkt kann „in Deutschland hergestellt“ sein, während die Erdnüsse selbst von anderen Kontinenten stammen. Diese Formulierung ist rechtlich einwandfrei, täuscht aber viele Käufer, die annehmen, ein regionales Produkt zu erwerben.
Die Rolle der Zwischenhändler
Die globalen Lieferketten für Erdnüsse sind komplex und undurchsichtig. Oft durchlaufen die Rohstoffe mehrere Zwischenhändler, bevor sie beim verarbeitenden Betrieb ankommen. Diese Intransparenz macht es selbst für Hersteller schwierig, die genaue Herkunft lückenlos zurückzuverfolgen – vorausgesetzt, sie haben überhaupt Interesse daran. Manche Händler mischen bewusst Chargen aus verschiedenen Ursprungsländern, um Preisschwankungen auszugleichen oder Verfügbarkeiten zu sichern. Für die Rückverfolgbarkeit ist dies fatal. Im Schadensfall – etwa bei einer Kontamination mit Schadstoffen – lässt sich oft nicht mehr nachvollziehen, woher die betroffene Ware tatsächlich stammt.
Was Verbraucher beachten sollten
Trotz der schwierigen Rechtslage gibt es Möglichkeiten, sich zumindest teilweise vor Intransparenz zu schützen. Wann immer ein Hersteller freiwillig ein konkretes Ursprungsland angibt, ist dies ein positives Zeichen für Transparenz. Vage Formulierungen wie „verschiedene Ursprünge“ oder die bereits erwähnte EU/Nicht-EU-Angabe sollten kritisch hinterfragt werden. Bio-Siegel garantieren zwar nicht automatisch eine bestimmte Herkunft, stellen aber sicher, dass bestimmte Mindeststandards beim Anbau eingehalten wurden. Auch wenn Bio-Erdnüsse aus Übersee stammen können, unterliegen sie strengeren Kontrollen als konventionelle Ware.
Verbraucher haben das Recht, beim Hersteller nachzufragen, woher die verwendeten Rohstoffe stammen. Unternehmen, die auf solche Anfragen ausweichend oder gar nicht reagieren, offenbaren damit bereits ihre mangelnde Bereitschaft zur Transparenz. Erdnüsse werden botanisch den Hülsenfrüchten zugeordnet, nicht den Nüssen im engeren Sinne. Wer auf Qualität und nachvollziehbare Produktionsbedingungen Wert legt, sollte gezielt nach Produkten suchen, deren Hersteller konkrete Angaben zur Herkunft machen. Produkte mit nachweislich transparenter Lieferkette sind oft teurer, bieten aber mehr Sicherheit bezüglich Qualitätsstandards und Rückverfolgbarkeit.
Politischer Handlungsbedarf
Verbraucherschützer fordern seit Jahren eine umfassende Reform der Kennzeichnungspflichten. Die aktuellen Regelungen stammen aus einer Zeit, in der globale Lieferketten noch nicht die heutige Komplexität erreicht hatten. Eine verpflichtende Herkunftskennzeichnung auch für verarbeitete Produkte würde nicht nur mehr Transparenz schaffen, sondern auch den Wettbewerb fairer gestalten – denn Hersteller, die bereits jetzt auf Offenheit setzen, werden für ihre Ehrlichkeit nicht belohnt. Einige europäische Länder sind bereits vorangeprescht und haben nationale Regelungen eingeführt, die über die EU-Vorgaben hinausgehen. Diese Flickenteppich-Lösung ist jedoch unbefriedigend und erschwert den grenzüberschreitenden Handel unnötig.
Die Verschleierung der Herkunft bei Erdnussprodukten ist kein Kavaliersdelikt, sondern ein systematisches Problem, das Verbraucher in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt. Solange gesetzliche Lücken bestehen, bleibt nur die Möglichkeit, durch bewusstes Kaufverhalten und kritisches Nachfragen Druck auf Hersteller auszuüben. Transparenz sollte kein Luxus sein, sondern der Standard – gerade bei Produkten, die wir täglich konsumieren.
Inhaltsverzeichnis
